architektur aktuell, nr. 488, 11.2020

Ausstellung: aut architektur und Tirol, Lois-welzenbacher-platz 1, Innsbruck, Ausstellungsteilnahme

Mit Lotte Schreiber, Sasha Pirker, Paul Ott und GĂŒnter Wett wurden zwei Filmemacherinnen und zwei Fotografen eingeladen, gemeinsam eine Ausstellung fĂŒr die RĂ€ume des aut zu entwickeln, die sich dem Thema der Wahrnehmung widmet. Alle vier beschĂ€ftigen sich in ihrer Arbeit intensiv mit Architektur, Stadt, Landschaft und Raum.

Die Durchfahrt unter dem ĂŒber die Tunisstrasse geklappten WDR-GebĂ€ude gehört dazu, das beinahe psychedelisch anmutende Herkules-Hochhaus und sein farblich naher Verwandter, das ehemalige Deutsche Welle Funkhaus ebenso. Oder der graue Riese am Ebertplatz, der Ringturm, der an einem trĂŒben Tag fast mit der Himmelsfarbe verschmilzt. Nicht zu vergessen der Blick von ganz oben in die Tiefen des Uni-Centers. Es ist die EindrĂŒcklichkeit der solitĂ€r dastehenden GebĂ€ude, viele davon aus den 1970er Jahren, die Kölns Stadtbild so charakteristisch formt. Im Gegensatz zu anderen StĂ€dten wie Frankfurt, dessen Zentrum im Laufe der Jahre eine klassische kompakte Skyline ausbildete, verstreute Köln seine HochhĂ€user quer durch die Bezirke. Von einem erhöhten Punkt aus gesehen, durchbrechen sie als vertikale AusreiĂer – gemeinsam mit dem “Ă€ltesten Hochhaus” Kölns, seinem Dom – eine ansonsten gleichförmige Stadtlandschaft. Ganz offensichtlich hat es also nicht nur der Westen der USA, sondern es findet sich auch im Westen Deutschlands: Das – diesmal stĂ€dtische – Monument Valley oder kurz Köln.
Text: © Emil Gruber

in “Memory of Architecture” thematisiert der Photograph Paul Ott anhand des berĂŒhmten mnemotechnischen Gesellschaftsspiels den theoretischen Diskurs um Photographie, Architektur, GedĂ€chtnis und Erinnerung. Im Zentrum der Budapester Ausstellung stehen 66 Architekturphotographien, die den Betrachter auf der Suche nach je zwei zusammengehörenden Motiven vor die spannende Herausforderung stellen, sich mit der eigenen Wahrnehmung von Architektur auseinanderzusetzen. Als Ausgangspunkt von Otts Photoausstellung dient das klassische “Memory”, das sich angesichts des quadratischen Bildformats, des schmalen weiĂen Bildrandes und des Prinzips der Paarbildung leicht wieder erkennen lĂ€sst. In dieser alternativen Version des populĂ€ren Spieles werden aus den Karten jedoch groĂformatige Photos, die unverdeckt an der Wand hĂ€ngen und keine identischen Motive bilden. Obwohl sich die einzelnen Bildpaare jeweils auf dieselbe Architektur beziehen, differenzieren der Standpunkt, Fokus, Zeitpunkt und andere Details der Aufnahme. Manchmal legt die Farbigkeit nahe, welche Photographien zusammengehören, wĂ€hrend in vielen FĂ€llen nur die tatsĂ€chliche Kenntnis der abgebildeten Architektur das AufspĂŒren des richtigen Bildpaares ermöglicht.
Ausstellung: FUGA, Budapest Center of Architecture, Petöfi Såndor utca 5

Ausgehend von der analogen Fotografie, bei der Fotografen das Bild ganz und gar selbst beeinflussen konnten und jeder Fehler nachvollziehbar war, ist dies nun bei der Digitalfotografie auf Grund technischer Prozesse nicht immer möglich. Die Werkreihe “Error” nimmt ihren Ausgang in einem Fehlverhalten der digitalen Bildverarbeitung der Digitalkamera, welches der Fotograf Paul Ott nutzt um abstrakte Bildwelten zu kreieren, welche diesen Fehlerprozess verbildlichen und sichtbar machen. Den Absturz der Kamera und dem dadurch entstandenen Bildmaterial zum Ausgangspunkt nehmend, entsteht eine Werkreihe, die sich durch abstrakte Formgebung und minimalistische FarbflĂ€chen auszeichnet, welche durch VergröĂerung und Nachbearbeitung den Fehlerprozess visualisiert, dem Paul Ott kĂŒnstlerischen Ausdruck verleiht. Das Ursprungsmotiv wird abstrahiert und bleibt fĂŒr AuĂenstehende im Verborgenen. Das Resultat ist eine Werkreihe, die sich durch klare und reduzierte Formensprache definiert und Betrachter_innen zu eigenen Interpretationen und Assoziationen anregt.

Die Intention zum vorliegenden Projekt liegt in der BeschÀftigung mit der Raumwahrnehmung und der damit verbundenen rÀumlichen VerÀnderung.
Dies bedeutet vorwiegend die Auseinandersetzung mit dem Licht und den Farben. Eine Unterscheidung durch Farben erinnert oder setzt gleich mit Markierung, jedoch vertraut das menschliche Auge den wahrgenommenen Kontrasten. Werden diese Unterscheidungsmerkmale ausgeschalten verĂ€ndert sich die menschliche Wahrnehmung zu einer notwendigen Konzentration auf das Einzelne. Die VerĂ€nderung verunsichert, sie belastet das Auge und lĂ€sst es aufmerksamer werden, tendenziös abhĂ€ngig von der eingesetzten Farbe. Im Zuge einer Monochromierung eines GebĂ€udes sollten diese Unterschiede in der Wahrnehmung erlebbar werden, eine Vereinheitlichung der Materialien und der verschiedenen Abbildungsebenen ist die Folge. Dabei muss die konsequente FortfĂŒhrung ĂŒber den Aussenraum zum Innenraum fĂŒhren, wodurch sowohl die optische als auch die rĂ€umliche Wahrnehmung irritiert werden sollen. Alles vorhandene wird in eine Farbe getaucht, Wand- und DeckenflĂ€chen, TĂŒren und Fenster ,Möbel und EinrichtungsgegenstĂ€nde sowie Dach und Fassade! Einzig die GlĂ€ser werden freigehalten und erlauben damit dem Licht den Eintritt ins GebĂ€ude und dem Beobachter den Aus- Ein- und Durchblick!
Eine nicht kontrollierbare VerĂ€nderung der LichteinfĂ€lle, eine ablesbare EntrĂŒckung der Raumdarstellung, eine Mystifizierung gebauter Struktur im gewohnten Umfeld, eine Verstörung in der Betrachtungsebene des Passanten, sowie eine Unterwerfung der Raumgeometrie dem Farbwert sind die essentiell zu untersuchenden Momente des Projektes. Ultramarinblau, als gewĂ€hlte Farbe bedingt eigentlich die Möglichkeit der Untersuchung des MONOCHROMEN, wie bereits Yves Klein diese Farbe zu der Farbe des Monochromen erkoren hat.
Zitat Yves Klein: âWas ist Blau? Blau ist das sichtbar werdende Unsichtbare…… Das Blau hat keine Dimensionen. Es ist auĂerhalb der Dimensionen, die Teil der anderen Farben sind.â

Es ist die Gretchenfrage der Architekturfotografie: Kommen Menschen auf den Bildern vor, oder nicht? Nach den Abbildungen zu urteilen, die in Architekturzeitschriften veröffentlicht werden, haben Architekten oder Photografen oder gar beide Berufsgruppen ein Problem mit ihren Mitmenschen. Historisch gesehen, liegt der Grund fĂŒr die Menschenleere allerdings bei den langen Belichtungszeiten der ersten Kameras. Das GetĂŒmmel rings um die Bauten fiel einfach der trĂ€gen Technik zum Opfer. Aber im Unterschied zu anderen Genres der Photografie kam kaum jemand auf den Geschmack, Unvorhergesehenes ins Bild zu bringen, als die Filme schnell genug waren. Monumente, rein wie eine Architektenzeichnung, unbefleckt wie die klassische Museumsskulptur, so werden noch heute die meisten Bauten ins Bild gesetzt.

Paul Ott zĂ€hlt zu den profiliertesten europĂ€ischen Architekturfotografen der Gegenwart. Seine Dokumentationen zeitgenössischer Architektur werden in zahlreichen internationalen Fachzeitschriften und BĂŒchern veröffentlicht. Otts Fotos vermitteln jedoch stets mehr als die bloĂe Physiognomie von GebĂ€uden. In freien Fotoserien untersucht er Strukturen, die unsere Wahrnehmung der Umwelt mindestens so stark beeinflussen wie die Baukunst der Architekten: anonyme landwirtschaftliche Bauten, HochhĂ€user und ihr Schicksal sowie die dramatische Kulisse von GroĂstĂ€dten wie Sao Paolo. Das Buch bietet einen reprĂ€sentativen Querschnitt durch Paul Otts fotografisches Oeuvre und macht bewusst, dass Umweltgestaltung zu einem guten Teil auch auf “gelernten” medialen Bildern ĂŒber und mit Architektur beruht. Vier Essays beleuchten das Werk aus den Perspektiven der Kunsttheorie und der Architektur.
Erschienen im Springer Verlag